Free Translation Widget

Freitag, 6. April 2012

Karfreitag und die Sache mit dem Leiden

Heute ist Karfreitag.
Gedenktag zum Tode Jesu am Kreuz.
Für die Christenheit von Bedeutung, für andere schlicht ein schöner Feiertag um mit der Familie was Nettes zu machen und sich der Arbeit fernhalten zu dürfen.
Feiertag - freier Tag. Frei zum Feiern. Aber wollen wir das? Feiern?

Ich war am Nachmittag mit einer Freundin in einer Karfreitags-Andacht in der Elisabethkirche. Ich wollte Besinnung. Raum zum Denken und bewusst über Karfreitag nachdenken. Über das Leiden Jesu. Über das Leiden in der Welt. Über mein persönliches Leid.

Ich mache mir Gedanken zum Leid der Welt. Ich trage es nicht auf meinen Schultern, aber es beschäftigt mich. Manchmal abgegrenzter, manchmal schmerzlich spürbar. Unermessliches Leid, wenn Kinder in Afrika verhungern.


Aber es verhungern nicht nur Kinder im fernen Afrika.
Leid kann greifbar nah an uns herantreten. Auch in unserem persönlichen Alltag.
Ich glaube, wir sollten Leid würdigen dürfen auch wenn es manchmal belanglos und klein scheint - Das ist mir heute neu bewusst geworden. Es geht hierbei nicht darum, die Kinder in Afrika zu vergessen (ganz im Gegenteil, wir sollten gegen die globale Armut aufstehen), oder darum, uns nur um uns selber zu drehen, wenn wir mal ein "Wehwehchen" haben, aber es geht darum unser Leid auch zu würdigen. Es dem Raum einzugestehen, den es gerade einnimmt.

Als wir nach der Andacht aus der Elisabethkirche gekommen sind, saßen dort ein Obdachloser mit einer Bekannten und seinem Hund. Wir haben sie zum Kaffeetrinken eingeladen. Man müsste denken, dass diese Menschen die auf der Straße leben, leiden (was sie sicherlich auch tun), aber sie konnten Ihren Schmerz aussprechen. Wir konnten miteinander sprechen.
Das Pärchen im Café am Tisch neben uns, hat dafür kein einziges Wort miteinander gesprochen. Sie sahen unglücklich aus.
Unser Tisch aber war lebendig. Trotz der Obdachlosigkeit, der Zukunftsängste, dem Wissen, dass andere Menschen die Nähe unseres Tisches vermieden haben. Wir haben geredet, gelächelt, die Sonne und den Kaffee genossen und uns freundlich wieder verabschiedet. Das Pärchen neben uns ist wortlos aufgestanden und der Mann ist der Frau weit voraus gelaufen. Das war sicher nicht ihr Begriff von Glück...

Es gibt immer Menschen, denen es schlechter geht als uns - Aber ist das ein Grund immer stark sein zu müssen? Immer Lächeln zu müssen? Auch wenn uns nach allem anderen statt danach ist? Nein, ist es nicht!
Es gibt viele große Menschen, die unglaubliches geleistet haben, die gekämpft und gelitten haben um wenigstens ein kleines bisschen die Welt zu verändern, sie zu einem schöneren Ort zu machen. Vorbilder wie Mahatma Gandhi, Rigoberta Menchu Tum, Mutter Teresa, Sophie Scholl, Aung San Suu Kyi und Jesus, fordern uns heraus stark zu sein und für unsere Ziele zu kämpfen. Aber sie erlauben es auch schwach zu sein. Sie alle haben gelitten und waren oft dem Punkt nah aufzugeben. War es nicht Jesus selber, der am Kreuz gefragt hat: "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"
Aber auch wenn Du kein Großer Menschen- und Weltenretter bist, darfst Du schwach sein. Nicht alle Menschen sind dazu geboren Großes zu tun. Auch das Kleine kann für viele zu etwas Großem werden.
Wenn wir das Leid wahrnehmen, unseren Schmerz rauslassen, dann bringen wir es auch zum Abschluss. Wenn wir es schlucken und überhören, werden wir einsam. Nehmen wir uns die Zeit es zu spüren und dann gehen zu lassen, erkennen wir, was es bedeutet frei zu sein. Jesus hing am Kreuz. Ja, Er hat gelitten, Er hat seinen Schmerz ausgeschrien. Er hat unseren Schmerz ausgeschrien. Auch wir dürfen das: Ängste teilen, Sorgen haben, Zittern und mutlos sein. Und dann dürfen wir wissen, dass es nicht dabei bleiben muss.
Jesus ist nicht Tod.
Das feiern wir Übermorgen.
Ostern.
Jesus ist lebendig. Gelitten und Leid besiegt. Auch für uns gilt das. Das Leid wird ein Ende haben.

Wie gehen wir mit unserem Leid um? Die letzten Wochen ging es auch mir oft nicht immer gut. Ich bin an meine Grenzen gekommen und habe mich teilweise wie leer und ausgehöhlt gefühlt. Ich wollte es übergehen und alles in Ordnung sein lassen. Es wurde aber nur schlimmer. Doch an dem Punkt, wo ich reden konnte, meine Ängste aussprechen konnte und mir eingestehen durfte, ja es ist jetzt ungerecht was da passiert, ging es mir mit einem Mal besser. Ich habe das persönliche Leid gewürdigt und abgegeben.
Und jetzt?
Aus eingestandener Schwäche, können wir neue Stärke ziehen.

1 Kommentar:

  1. Ein toller Blog-Artikel!
    Gestern hatte mich ein 11-Stunden-Arbeitstag nur in der Bahn auf dem Weg zum GoDi besinnlich werden lassen und ich habe mir viele Gedanken um das Thema Leid, zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und Solidarität mit heutiger ungerechtigkeit gemacht- die du ja auch in deinem Artikel hast.
    Dann sitze ich im Gottesdienst und der Vers "Weint nicht um mich! Weint um euch und eure Kinder!" hat mich total aus meinem Jesus-Mitleids-Konzept gebracht und die Frage nach Selbstgerechtigkeit in mir aufgeworfen. Auch in mir ist der Hass und die Rache, die Jesus den Prozess gemacht hat. Einige andere "auch in mir..." konnte ich für mich anhängen- gerade da erfahre ich deine Gedanken um das Leid in mir als einen schönen Gedankenanstoß, der einen blinden Fleck bei mir ein wenig ausmerzt (Yohari-Fenster lässt grüßen :) )
    Danke für deinen Beitrag!

    AntwortenLöschen